Endlich ist die Fortsetzung Ihres Erfolgsromans erschienen. Worum geht es in JOHN?

Der Roman JOHN setzt fünf Jahre nach dem Ende von YOKO ein und führt die Geschichte meines Racheengels fort. Im ersten Teil war Yoko Ende zwanzig, als sie ihren Beruf – sie war Metzgerin – an den Nagel gehängt hat, um anderen Menschen mit ihrer kleinen Glückskeks-Manufaktur Freude zu bereiten. Ihr Leben gerät jedoch durch eine Zufallsbekanntschaft mit der chinesischen Mafia komplett aus den Fugen. Nachdem ihre große Liebe Marion ermordet wird, startet sie einen blutigen Rachefeldzug. Und am Ende flieht sie. Yoko ist gezwungen, sich zu verstecken.
In JOHN lebt sie mit einer neuen, männlichen Identität auf einer griechischen Insel, arbeitet in einem Restaurant hoch über dem Meer, hat Freunde gefunden und ist zur Ruhe gekommen. Alles scheint zunächst gut zu sein. Yoko ist Vergangenheit, John ist die Zukunft. Neben der Arbeit in der Taverne kümmert sich John um das Anwesen von Ingrid, einer wohlhabenden Frau, die nur die Sommermonate auf der Insel verbringt. John pflegt den Garten, genießt die exklusive Ruhe und das Wohlwollen seiner Arbeitgeberin.

 

Klingt nach einem schönen Leben. Hatten Sie endlich Gnade mit Ihren Figuren und gönnen Ihnen ein wenig Glück?
Ein wenig, ja. Aber das hält natürlich nicht lange an. Während Yoko sich als John auf der Insel in Sicherheit wähnt, wird in Deutschland immer noch nach ihr gefahndet. In einer Fernsehsendung wird der „Fall Yoko“ wiederaufgerollt, neue Beweismittel kommen ans Licht. Ihre Akte wird erneut geöffnet, und wovor Yoko sich immer gefürchtet hat, geschieht: John wird enttarnt. 

 

Die Vergangenheit holt Yoko ein, Schuld und Sühne. Zahlt Yoko in JOHN die Rechnung für die Rache, die sie geübt hat?

Diese Gewalt bleibt Teil ihrer Geschichte und die Angst vor der Entdeckung ist allgegenwärtig. Die Selbstermächtigung, die sich Yoko erkämpft hat, wird auf eine neue Probe gestellt – diesmal geht es nicht mehr um aktive Rache, sondern um das Überleben in der Fremde und die Frage, ob sie sich selbst vergeben kannEine Polizistin hat Yoko ausfindig gemacht und will ihre ganze Geschichte hören, die sich nun Stück für Stück auch für die Leserinnen und Leser entblättert. 

 

YOKO wurde als Tarantino unter Ihren Büchern bezeichnet, tatsächlich ist noch nie zuvor so viel Blut geflossen. Setzt sich das auch bei JOHN fort?

YOKO ist ein ziemlich harter Thriller, ich hatte großen Spaß beim Schreiben. Trotzdem habe ich im zweiten Teil wieder einen anderen Ton angeschlagen. Bei JOHN handelt es sich mehr um ein Kammerspiel. Dramaturgisch baue ich auf einen unzuverlässigen Erzähler, Yoko als Icherzählerin und auf zahlreiche Dialoge, die aufklären und zeitgleich in die Irre führen. Die Handlung wird intimer, die Spannung entsteht mehr aus der Stille und dem Versteckspiel als aus der reinen Action. In JOHN kann man noch tiefer in Yokos Geschichte eintauchen.

 

Ihr Schreibstil ist sehr szenisch, reduziert, fast poetisch. Wie hat sich dieser Stil entwickelt?

Sprache ist mir extrem wichtig. Über die Jahre habe ich meinen Ton immer weiter reduziert, um nur das Wesentliche zu erzählen. Ich will meinen Leserinnen und Lesern Raum für eigene Bilder und Gedanken lassen. Die knappen Sätze und der Fokus auf Dialoge erzeugen einen Sog, der die Handlung vorantreibt und die Leser direkt ins Geschehen zieht. Nichts wird bewertet oder interpretiert – was gesagt wird, ist Fakt. Das macht die Geschichten unmittelbar und intensiv.

 

Was hat Sie an diesem erzählerischen Kniff gereizt, die Geschichte Yokos aus der Sicht eines Mannes weiterzuerzählen? Geht es Ihnen dabei auch um Fragen von Geschlechteridentität?

Als androgyn wirkender Mensch fällt es Yoko leicht, ihr Frausein zu verbergen. In ihren gefälschten Papieren steht der Name eines Mannes. Sie trägt kurze Haare, versteckt ihre Weiblichkeit unter weiten Kleidungsstücken. Yoko tarnt sich. Der Geschlechterwechsel ist keine Geschlechtsumwandlung oder Geschlechtsangleichung im klassischen Sinn, sondern eine Überlebensstrategie, Yoko ist auf der Flucht. Trotzdem lebt sie in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Mich hat hier vor allem die Frage interessiert: Wie weit muss ein Mensch gehen, um seiner Vergangenheit zu entkommen? Wie sehr kann man sich selbst verleugnen, um zu überleben? Die Tarnung als Mann ist dabei das Mittel zum Zweck – sie schützt Yoko. Aber sie entfremdet sie auch von sich selbst. Erst als ihre Lüge auffliegt, muss sie sich erneut mit ihrer wahren Identität auseinandersetzen.

 

Wenn man YOKO und JOHN liest, begibt man sich auf eine emotionale Achterbahnfahrt. In einer Rezension hieß es: „Man liest diese Bücher nicht, man fühlt sie.“ Ist das Teil Ihres Erfolgsrezepts?

Es geht um Schmerz, Scham und Verlust. Yoko will Vergeltung für das, was ihr angetan wurde. Und sie muss dafür einen Preis zahlen. Wichtig dabei ist, dass meine Leserinnen und Leser diese Emotionen nachempfinden können, dass sie mit Yoko fühlen, lieben, hassen. Erst wenn das gelingt, wird die Geschichte wirklich packend. Ich möchte meine Leserinnen und Leser rühren, sie sollen in diese fiktive Welt eintauchen und alles so erleben können, wie es meine Figuren tun. Es geht um Unmittelbarkeit, der man sich nicht mehr entziehen kann. Einmal mit dem Buch angefangen, soll man es nicht mehr aus der Hand legen.

 

Glauben Sie noch an das Gute im Menschen? Immerhin ergründen Sie als Autor, wozu sie fähig sein können, und spielen es bis zum Äußersten durch.

Ich glaube fest daran, dass in jedem Menschen beides nebeneinander existiert: Gut und Böse, in verschiedenen Ausprägungen. Und ich bin auch davon überzeugt, dass jeder Mensch zum Mörder werden kann. Jeder ist in der Lage, Grenzen zu überschreiten, es muss nur die Motivation stimmen: Kränkung, Gier, Rache, Eifersucht … Ich suche nach den Auslösern, versuche nachvollziehbar zu machen, warum jemand tötet. Die Grenzen zwischen Opfer und Täter verschwimmen dabei. Täterpsychologie nimmt einen wichtigen Teil meines Schreibens ein. Man fühlt mit Yoko mit. Es geht um Emotionen, die ich wecken will. Erst wenn das gelingt, geht eine Geschichte richtig unter die Haut.